Wie gesund Leben Wohnungslose?
Ein gesunder Lebensstil? Für die meisten Wohnungslosen ist das unerreichbar. Ihre Realität ist geprägt von schlechter Ernährung, fehlender medizinischer Versorgung und hoher psychischer sowie physischer Belastung. Viele Zugangsbarrieren versperren den Weg. Zum Weltgesundheitstag soll daher ein Blick auf die Gesundheitsproblematik derjenigen geworfen werden, die so häufig übersehen werden.
Ernährung
Gesunde Mahlzeiten sind für Wohnungslose nicht die Regel. Sie ernähren sich oft von günstigen, stark verarbeiteten Lebensmitteln mit wenig Nährstoffen. Frisches Obst und Gemüse bilden eher die Ausnahme. Die Ursachen sind vielfältig: fehlendes Geld, keine Möglichkeit zur Lagerung oder Zubereitung von Lebensmitteln und eine starke Abhängigkeit von Spenden.
Manche Unterkünfte, wie die in der Wörthstraße in Hannover, erhalten Lebensmittel von der Tafel - womit zumindest eine Ergänzung der Ernährung möglich ist. Doch eine ausgewogene Ernährung bleibt eine Seltenheit. Die Folgen: Kreislaufprobleme, Muskelabbau und in schwerwiegenden Fällen nachhaltige neurologische Schäden. Mit zunehmendem Alter steigt dadurch das Sterberisiko drastisch.
Körperliche Gesundheit
Dass die einzelnen Aspekte tief miteinander verwoben sind, wird nun deutlich. Denn die gesundheitliche Lage von Wohnungslosen ist ein Teufelskreis: Schlechte Ernährung schwächt den Körper, chronische Erkrankungen bleiben unbehandelt, Infektionen greifen um sich.
Die Kernproblematik aller Krankheiten ist dabei gleich: Wer keinen regelmäßigen Zugang zu ärztlicher Versorgung hat, erlebt häufig eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes - bis zur Lebensbedrohlichkeit.
Auch Suchterkrankungen hinterlassen ihre Spuren. Viele konsumierte Substanzen schädigen Organe, ganz zu schweigen von gestreckten Drogen, die mit Schwermetallen oder Entwurmungsmitteln versetzt sein können. Das Risiko für Krampfanfälle, Herzstillstände oder schwere Vergiftungen steigt durch den Konsum. Wer hier von "freier Entscheidung" spricht, unterschätzt die Abhängigkeit als Krankheit und die oft dahinterliegenden Traumata.
Psychische Gesundheit
Die Straße ist kein sicherer Ort – nicht für den Körper, schon gar nicht für die Psyche. Viele Wohnungslose leiden unter Depressionen, Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen. Der permanente Stress, die soziale Isolation, Perspektivlosigkeit und Gewalterfahrungen sind Ursachen und verstärken diese Probleme zugleich.
Hilfe ist kaum erreichbar. Selbst für Menschen mit festem Wohnsitz und geregeltem Alltag ist es schwer, einen Therapieplatz zu finden. Für Wohnungslose, oft ohne Krankenversicherung oder stabile Anlaufstellen, ist es nahezu unmöglich. Die psychische Belastung bleibt – und mit ihr der Teufelskreis aus Angst, Sucht und gesundheitlichem Verfall.
Hygiene & Wohnsituation
Hygiene ist nicht nur eine Frage der Sauberkeit, sondern der Menschenwürde. Doch wer auf der Straße lebt, hat kaum Zugang zu Duschen oder Waschmöglichkeiten. Öffentliche Toiletten sind oft kostenpflichtig, und Kleidung zu waschen nur an wenigen Orten möglich.
Die Folgen sind spürbar – und sichtbar. Hautkrankheiten wie Pilzinfektionen oder Ekzeme können sich leicht verbreiten. Läuse, Flöhe und Krätze sind beinahe unvermeidlich. Kleine Wunden entzünden sich schneller und heilen schlechter. Doch das wohl größte Problem: Der Geruch und das Erscheinungsbild werden zum sozialen Stigma. Hygiene ist nicht nur eine Gesundheitsfrage – sie entscheidet oft darüber, ob jemand überhaupt als Mensch wahrgenommen wird.
Ein Blick in die Realität – und was getan werden kann
Zum Weltgesundheitstag ist ein Blick auf diejenigen, die oft übersehen werden, dringend notwendig. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Wohnungslosen liegt bei etwa 50 Jahren – 30 Jahre weniger als im gesellschaftlichen Durchschnitt. Ein erschreckender Wert, dem mehr entgegengesetzt werden muss.
Es gibt Ansätze. In Hannover etwa sorgt der Duschanhänger der Malteser, "MOBALNI", für ein mobiles Angebot an Hygiene. Doch vielerorts bleibt die Unterversorgung dramatisch. Ein gesundes Leben ist für Wohnungslose kein Luxus – es ist oft schlicht unmöglich. Zeit, das zu ändern.